Im Herbst 1667 verstarb der Prager Erzbischof, Kardinal Ernst Adalbert Harrach
(1598-1667). Unmittelbar darauf wurden in Prag und Wien mehrere Leichenpredigten und
Funeraldrucke veröffentlicht, unter ihnen die deutschsprachige Leichenpredigt des Prager
Kanonikers Christian Augustin Pfaltz von Ostrig. Das Ziel der Begräbnisprediger war es
(außer den Hinterbliebenen Trost zu spenden und an die Notwendigkeit von Gebeten für die
Seele der Verstorbenen zu erinnern), zum guten Gedächtnis und Erinnerung beizutragen.
Eine Leichenpredigt übermittelt – unter Verwendung der genauen biographischen
Angaben – ein allgemeines Ideal; die gefeierten christlichen Tugenden sind mit der
konkreten Lebensgeschichte verbunden und die panegyrische Ausprägung nähert die
Predigt dem Heiligenlob, einschließlich der Verwendung vieler legendenhafter Topoi. Hier
drängt sich die Frage auf, inwieweit die Prediger in ihrer Konstruktion und Interpretation
des Lebens eines Verstorbenen erfolgreich waren – ob und auf welche Weise die Leichenpredigten
als eine relevante historische Quelle durch die zeitgenössische und moderne
Historiographie rezipiert worden sind.
Die Analyse der Leichenpredigt von Pfaltz (die gründliche Passagen über die
Familie Harrachs, das Geschlecht, das Jugendalter und die Karriere enthält) und der
Vergleich mit der Monographie über Harrach von F. Krásl aus dem Jahr 1886 (die bis zum
Buch von A. Catalano aus dem Jahr 2005 die einzige Synthese bot) hat mehrere Übereinstimmungen
gezeigt, in deren Krásl mehr oder weniger auf die Leichenpredigt von Pfaltz
zurückgriff. F. Krásl hat freilich nicht direkt mit der Leichenpredigt gearbeitet. Er hat zwei
Arbeiten aus dem Anfang des 18. Jahrhunderts ausgewertet (Poselkyně starých příběhů
českých von Beckovský und Berghauers Protomartyr poenitentiae), die die Leichenpredigt
von Pfaltz benutzten – durch ihre direkte Wiedergabe (Berghauer) oder durch ihre Nacherzählung
(Beckovský).
Die Leichenpredigten boten oft die ersten biographischen Zusammenfassungen
und gaben den Historikern nicht nur mehr oder weniger ausführliche Informationen an die
Hand, sondern auch (und vielleicht vor allem) die ersten Interpretationen der Lebensgeschichte
sowie ein paar der anschaulichsten Episoden aus dem Leben der Verstorbenen.
Darüber hinaus lassen sich auch die verwendeten Stilfiguren bzw. die Rhetorik der
Predigten selber analysieren. In Harrachs Fall sind in die Geschichtsforschung vor allem
die aus dem literarischen und hagiographischen Kanon entnommenen Motive übergegangen.
* Der Beitrag ist durch Unterstützung der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel und
GA ČR (Post-doc grant 404/05/P579) entstanden.